17.11.19

wie sieht ein traum aus, wenn er alt wird und staub ansetzt? wie sieht ein traum aus, wenn man ihn nicht mehr mit tränen benetzt, wenn man ihn nicht mehr ins licht stellt? 
wo bleibt sein funkeln, sein flirren im licht?
wo bleibt seine kraft?
es war einmal deine kraft, die kraft, die du aus deinem traum  genommen hast. du hast den traum erzeugt...oder war er vielleicht schon vor dir da
warst du das ergebnis dieses traums?
du denkst immer, du erzeugst alle träume, doch wer weiss, vielleicht ist es genau das gegenteil, vielleicht wurdest du von diesem einstmals funkelnden, flirrenden sternartigen gebilde erzeugt und nun sieh dich an
so traurig 
wo ist dein traum jetzt? solltest du ihn nicht wieder zu dir locken, an diesem schönen, ruhigen morgen? 

lock ihn wieder an, lass ihn wieder ein und gib ihm alles, was er braucht, damit er dich halten und nähren kann. wir sind nicht nur fleisch und blut. wenn es so wäre, wäre alles einfacher und so viel langweiliger. wir sind ein traum. das ergebnis eines traums. 
und wir wenden uns irgendwann ab, vor allem, wenn irgendetwas so weh tut, dass wir uns mit dingen des alltags panzern, aus angst, noch mehr zu leiden, und manchmal ist es verständlich, dass wir das tun, denn das leid ist manchmal zu viel und es sollte einfach nur aufhören. aber der traum, der gewartet hat, wird schwächer und schwächer. er wird ewig warten, aber was passiert mit ihm, wenn wir einfach nicht begreifen, dass er noch da ist? wie ein altes blatt papier mit vergilbter tinte liegt er vergessen in irgendeiner schublade unseres bewusstseins.

heute ist ein ruhiger und so schöner morgen. und du hast das bewusstsein für den traum gerade geöffnet. nun geh in das zimmer, das du so selten betrittst. geh zum schreibtisch und öffne die schublade mit dem alten briefbogen. nimm ihn heraus und leg ihn nicht wieder zurück. nimm ihn mit zum küchentisch und leg ihn vor dich auf die tischplatte. betrachte die geschwungenen linien der schrift. es ist deine schrift, aber sie sieht anders aus als heute. sie steckt voll ruhiger kraft. leg deine hand auf das papier, schliess die augen und schau nach innen. unter der vergilbten, mit eleganten linien bedeckten oberfläche beginnt etwas zu arbeiten. ein flirren, ein leises wispern von stimmen, ein hauch meeresluft, ein lichtstrahl wie sonne auf den wellen